Morgens gegen Acht setzte sich in Bern ein Extrazug mit
sechs Wagen in Bewegung. Im Schneckentempo ging es über Münsingen via Thun ins
Wallis. Im „Familienwagen“ wurde erst einmal ordentlich gefrühstückt.
Die Stimmung im Zug war gut wenn auch noch etwas
zurückhaltend. Für das Spiel war man nach dem hervorragenden Heimsieg gegen
Udinese zuversichtlich. Schliesslich seien die Jungs ja international
motivierter, so munkelt man.
Der grösste Teil der Reise fand auf italienischem Boden
respektive auf italienischen Geleisen statt. Die Reiseroute führte via Mailand
und Verona nach Udine. Im Vergleich mit den italienischen Regelzügen war der
Extrazug (Sorte: altes Rollmaterial SBB) richtig modern. Einen unfreiwilligen
Halt gab es an einem italienischen Provinzbahnhof. Die Meldung von einem
Personenunfall auf unserer Strecke machte die Runde. Was darauf folgte, glich
einer Zitterpartie in einer YB-Viertelstunde. Der Fahrplan, welcher wegen den
Bedingungen der italienischen Polizei ohnehin schon knapp berechnet war, geriet
nun arg in Bedrängnis. Man rechnete mit einer Ankunftszeit um 19 Uhr und selbst
dem betrunkensten YB-Fan wurde zu diesem Zeitpunkt klar, dass 5 Minuten für
Transfer zum Stadion und Eingangskontrolle etwas knapp berechnet waren. Erste Hochrechnungen
wurden angestellt und man rechnete bereits mit einem Auswärtsfahrer-Rekord: 20
Stunden Zugfahrt für 45 Minuten YB hatte es zuvor noch nicht gegeben. Draussen
war es bereits dunkel geworden und selbst wenn es hell gewesen wäre, hatten die
wenigsten eine Ahnung, wo genau sie nun waren. Es war also völlig unklar, wann
man denn wirklich ankommen würde. Umso schöner war die Überraschung, als man um
halb sieben die Bahnhofstafel mit der Aufschrift Udine entdeckte.
Dank einem Buskonvoi mit Polizeieskorte und einem
schmerzlosen Eingangssturm schaffte es der Mob pünktlich auf die 2. Minute.
Trotz Stress gelang es, die vorbereitete Choreo durchzuführen. So betraten 400
singende Berner den Gästeblock – jeder einzelne mit einer gelbschwarzen OKBE-Fahne.
Unter dem Motto „Zäme Singe – Zäme Gwinne“ (Spruchband) begann der Support im
Stadio Friuli. Das modernste an diesem Stadion sind ohne Zweifel die
zahlreichen Überwachungskameras – ein Symbol für die starke Repression der
Fussballfans in Italien. Wohl auch ein Grund für die tiefe Zuschauerzahl von
knapp 10‘000 – gerade mal ein Drittel der eigentlichen Kapazität.
Die grosse Frage des Abends lautete natürlich: wie würde YB
spielen? Die Antwort war erfreulich, denn YB machte von Beginn weg Druck und
spielte schönen Kombinationsfussball. Udinese schien eher zurückhaltend zu rächte sich bereits in der 27. Minute: ein herrlicher Freistoss
von Bobadilla liess YB in Udine tatsächlich in Führung gehen. Und für die
Statistiker unter uns: ja es war tatsächlich das 4. Tor von Bobadilla gegen
Udinese in 2 Spielen. YB spielte weiterhin stark, lautstark unterstützt von der
gelbschwarzen Gästekurve! Udinese spielte nun nicht mehr ganz so harmlos und
hatte auch die eine oder andere Chance. Nach einem unglücklichen Foul in der
45. Minute von Nef – Italiener sind, zumindest auf dem Platz, nicht so
standfest und fallen relativ schnell um – wurde den Udinesi ein Penalty
zugesprochen. Wer nun bereits zur Pausenpizza schritt, verpasste eine
sensationelle Parade von Marco Wölfli, dank der es auch zur Pause immer noch
1:0 für die Berner Gäste stand.
Dies änderte sich zu Beginn der zweiten Halbzeit ziemlich
schnell. Die Pyro-Show in der Berner Kurve sah zwar toll aus und liess einige
Italiener ihr Fotohandy zücken, erreichte aber ihre Wirkung auf dem Platz
leider nicht. Nur gerade zwei Minuten waren gespielt, als der Penalty-Held
Wölfli einen hohen Ball nicht erwischte und nur wegschlagen konnte. Dummerweise
genau in die Füsse von di Natale. Dieser liess sich natürlich nicht zweimal
bitten und erzielte postwendend den Ausgleich.
Die Stadtberner liessen sich nicht beirren und legten auch
nach dem Ausgleich eine erstaunliche Beharrlichkeit an den Tag. Dies wurde
belohnt. Mit einem Weitschuss aus 25 Metern hämmerte Farnerud in der 65. Minute
den Ball ins gegnerische Tor. Ob abgelenkt oder nicht – eine Augenweide, dieses
Tor! Der mitgereiste Anhang tobte – vor Freude versteht sich. Kurz vor der
YB-Viertelstunde setzte das Duo Zarate/Nuzzolo noch einen drauf. Nach
herrlicher Vorarbeit von Zarate musste Nuzzolo in der 73. Minute den Ball nur
noch einschieben – er stand goldrichtig. 3:1 lautete nun das Zwischenresultat
für YB und es schien klar, dass man dies nicht einmal mehr veryoungboysen
konnte. Trotzdem wurden die Fans noch einmal hart geprüft, als Fabbrini in der
83. Minute den Anschlusstreffer erzielte. Die Zitterpartie erschien noch
härter, als diejenige zuvor im Zug. Nicht zuletzt dank Wölfli, welcher ausser
dem einen fatalen Patzer eine solide Partie zeigte, konnten die 3 Punkte ins
Trockene gebracht werden. Die Sensation war perfekt!
Nachdem mit der Mannschaft ausgiebig gefeiert worden war,
begab man sich mittels Buskonvoi wieder an den Udineser Bahnhof. Dort blieb bis
zur Abfahrt genügend Zeit, sich zu verpflegen. Lobenswert war an dieser Stelle
das Verhalten der Polizei. Obwohl zahlreich anwesend, teilweise auch in
Vollmontur, verhielt sie sich sehr zurückhaltend und liess die Fans frei die
Gegend um den Bahnhof erkunden. Ein schönes Beispiel, wie es auch gehen könnte,
blieb es doch ruhig und friedlich. Statt Gemüter wurde der Pizzaofen erhitzt
und man liess den Abend mit einer Prosciutto massimo ausklingen. Den Rückweg
erlebten die meisten schlafend, denn irgendwann wurde auch der lauteste Fan
müde. Spätestens zum „We Love You“ für die verwunderten Pendler im Berner
Hauptbahnhof waren dann aber alle wieder wach.
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