Montag, 19. November 2012

Spiel 4: Udinese 2 - 3 YB


Morgens gegen Acht setzte sich in Bern ein Extrazug mit sechs Wagen in Bewegung. Im Schneckentempo ging es über Münsingen via Thun ins Wallis. Im „Familienwagen“ wurde erst einmal ordentlich gefrühstückt.

Die Stimmung im Zug war gut wenn auch noch etwas zurückhaltend. Für das Spiel war man nach dem hervorragenden Heimsieg gegen Udinese zuversichtlich. Schliesslich seien die Jungs ja international motivierter, so munkelt man.

Der grösste Teil der Reise fand auf italienischem Boden respektive auf italienischen Geleisen statt. Die Reiseroute führte via Mailand und Verona nach Udine. Im Vergleich mit den italienischen Regelzügen war der Extrazug (Sorte: altes Rollmaterial SBB) richtig modern. Einen unfreiwilligen Halt gab es an einem italienischen Provinzbahnhof. Die Meldung von einem Personenunfall auf unserer Strecke machte die Runde. Was darauf folgte, glich einer Zitterpartie in einer YB-Viertelstunde. Der Fahrplan, welcher wegen den Bedingungen der italienischen Polizei ohnehin schon knapp berechnet war, geriet nun arg in Bedrängnis. Man rechnete mit einer Ankunftszeit um 19 Uhr und selbst dem betrunkensten YB-Fan wurde zu diesem Zeitpunkt klar, dass 5 Minuten für Transfer zum Stadion und Eingangskontrolle etwas knapp berechnet waren. Erste Hochrechnungen wurden angestellt und man rechnete bereits mit einem Auswärtsfahrer-Rekord: 20 Stunden Zugfahrt für 45 Minuten YB hatte es zuvor noch nicht gegeben. Draussen war es bereits dunkel geworden und selbst wenn es hell gewesen wäre, hatten die wenigsten eine Ahnung, wo genau sie nun waren. Es war also völlig unklar, wann man denn wirklich ankommen würde. Umso schöner war die Überraschung, als man um halb sieben die Bahnhofstafel mit der Aufschrift Udine entdeckte.

Dank einem Buskonvoi mit Polizeieskorte und einem schmerzlosen Eingangssturm schaffte es der Mob pünktlich auf die 2. Minute. Trotz Stress gelang es, die vorbereitete Choreo durchzuführen. So betraten 400 singende Berner den Gästeblock – jeder einzelne mit einer gelbschwarzen OKBE-Fahne. Unter dem Motto „Zäme Singe – Zäme Gwinne“ (Spruchband) begann der Support im Stadio Friuli. Das modernste an diesem Stadion sind ohne Zweifel die zahlreichen Überwachungskameras – ein Symbol für die starke Repression der Fussballfans in Italien. Wohl auch ein Grund für die tiefe Zuschauerzahl von knapp 10‘000 – gerade mal ein Drittel der eigentlichen Kapazität.

Die grosse Frage des Abends lautete natürlich: wie würde YB spielen? Die Antwort war erfreulich, denn YB machte von Beginn weg Druck und spielte schönen Kombinationsfussball. Udinese schien eher zurückhaltend zu rächte sich bereits in der 27. Minute: ein herrlicher Freistoss von Bobadilla liess YB in Udine tatsächlich in Führung gehen. Und für die Statistiker unter uns: ja es war tatsächlich das 4. Tor von Bobadilla gegen Udinese in 2 Spielen. YB spielte weiterhin stark, lautstark unterstützt von der gelbschwarzen Gästekurve! Udinese spielte nun nicht mehr ganz so harmlos und hatte auch die eine oder andere Chance. Nach einem unglücklichen Foul in der 45. Minute von Nef – Italiener sind, zumindest auf dem Platz, nicht so standfest und fallen relativ schnell um – wurde den Udinesi ein Penalty zugesprochen. Wer nun bereits zur Pausenpizza schritt, verpasste eine sensationelle Parade von Marco Wölfli, dank der es auch zur Pause immer noch 1:0 für die Berner Gäste stand.

Dies änderte sich zu Beginn der zweiten Halbzeit ziemlich schnell. Die Pyro-Show in der Berner Kurve sah zwar toll aus und liess einige Italiener ihr Fotohandy zücken, erreichte aber ihre Wirkung auf dem Platz leider nicht. Nur gerade zwei Minuten waren gespielt, als der Penalty-Held Wölfli einen hohen Ball nicht erwischte und nur wegschlagen konnte. Dummerweise genau in die Füsse von di Natale. Dieser liess sich natürlich nicht zweimal bitten und erzielte postwendend den Ausgleich.

Die Stadtberner liessen sich nicht beirren und legten auch nach dem Ausgleich eine erstaunliche Beharrlichkeit an den Tag. Dies wurde belohnt. Mit einem Weitschuss aus 25 Metern hämmerte Farnerud in der 65. Minute den Ball ins gegnerische Tor. Ob abgelenkt oder nicht – eine Augenweide, dieses Tor! Der mitgereiste Anhang tobte – vor Freude versteht sich. Kurz vor der YB-Viertelstunde setzte das Duo Zarate/Nuzzolo noch einen drauf. Nach herrlicher Vorarbeit von Zarate musste Nuzzolo in der 73. Minute den Ball nur noch einschieben – er stand goldrichtig. 3:1 lautete nun das Zwischenresultat für YB und es schien klar, dass man dies nicht einmal mehr veryoungboysen konnte. Trotzdem wurden die Fans noch einmal hart geprüft, als Fabbrini in der 83. Minute den Anschlusstreffer erzielte. Die Zitterpartie erschien noch härter, als diejenige zuvor im Zug. Nicht zuletzt dank Wölfli, welcher ausser dem einen fatalen Patzer eine solide Partie zeigte, konnten die 3 Punkte ins Trockene gebracht werden. Die Sensation war perfekt!

Nachdem mit der Mannschaft ausgiebig gefeiert worden war, begab man sich mittels Buskonvoi wieder an den Udineser Bahnhof. Dort blieb bis zur Abfahrt genügend Zeit, sich zu verpflegen. Lobenswert war an dieser Stelle das Verhalten der Polizei. Obwohl zahlreich anwesend, teilweise auch in Vollmontur, verhielt sie sich sehr zurückhaltend und liess die Fans frei die Gegend um den Bahnhof erkunden. Ein schönes Beispiel, wie es auch gehen könnte, blieb es doch ruhig und friedlich. Statt Gemüter wurde der Pizzaofen erhitzt und man liess den Abend mit einer Prosciutto massimo ausklingen. Den Rückweg erlebten die meisten schlafend, denn irgendwann wurde auch der lauteste Fan müde. Spätestens zum „We Love You“ für die verwunderten Pendler im Berner Hauptbahnhof waren dann aber alle wieder wach.